Braunbär reißt sieben Schafe
170 Jahre lang hat sich in Deutschland kein Braunbär mehr blicken lassen. Seit heute aber tapst ein Exemplar durch Bayern. Deutliche Indizien: Mehrere tote Schafe, Fährten und Bärenhaare.
Oberammergau - Seit Tagen tingelte er durch Tirol und wurde im österreichisch-bayerischen Grenzgebiet gesucht: Heute ist der Braunbär in Bayern angekommen und hat gleich deutliche Spuren hinterlassen. Sieben Schafe hat er auf einer oberbayerischen Weide gerissen - und ist sofort wieder untergetaucht.
DDP
Hier war der Bär: Imker Martin Wehrmeister zeigt den Baumstamm, den der Bär zerstörte, als er ein Bienennest ausräumte
Direkt nach seiner Tat sei der Braunbär spurlos verschwunden, sagte die Sprecherin des World Wildlife Fund Deutschland (WWF), Ulrike Bauer, der Nachrichtenagentur dpa. Den genauen Ort wollte die Sprecherin nicht bekannt geben, "um einen Bären-Tourismus zu vermeiden und Menschen nicht in Gefahr zu bringen". Zum ersten Mal seit mehr als 170 Jahren ist wieder ein Braunbär in Deutschland aufgetaucht.
Schon gestern waren die Bären-Experten vom WWF durch ein gerissendes Schaf in Oberammergau auf den Plan gerufen worden. Zuerst aber dachten sie eher an einen Hund als Übeltäter. Nach dem neuerlichen Schafriss "in der gleichen Region" habe der österreichische Bären-Experte Jörg Rauer am Schauplatz des Geschehens jedoch eindeutig Bärenhaare identifiziert und eine passende Fährte dazu gefunden.
Damit haben sich nun alle Vermutungen bestätigt: "Kein Zweifel mehr, dass der Bär in Bayern war oder noch ist", sagte Bauer. Während nach WWF-Angaben in Österreich noch bis zu 20 Bären leben, wurde in Deutschland der letzte Braunbär 1835 bei Ruhpolding in Oberbayern erlegt.
Der Besuch des Bären hat bei Martin Wehrmeister, Landwirt und Hobby-Imker aus Tirol, echte Begeisterung ausgelöst. Auf seinem Hof hatte sich das Tier vor einigen Tagen an seinem Bienenstock zu schaffen gemacht. "Das war kein großer Schaden, das war ein Erlebnis", berichtet der 66-Jährige von seinem nächtlichen Gast, dem er tatsächlich in die Augen sehen durfte. "Es ist bärig", so Wehrmeister.
Äußerst unerfahren im Jagen von Schafen
Das letzte Lebenszeichen von dem Bären hatte es letzten Donnerstag gegeben: Eine ausgeräumte Bienenhütte zwei Kilometer jenseits der Grenze im österreichischen Pflach bei Reutte. Der österreichische Bären-Anwalt Walter Wagner sagte der Nachrichtenagentur ddp, der Bär sei mit großer Wahrscheinlichkeit ein sehr junges Tier, das "äußerst unerfahren" im Jagen von Schafen sei.
Noch am Wochenende hatten Experten versichert, Angst vor einem Zusammentreffen mit dem tapsigen Gesellen brauche niemand zu haben. Da Bären "prinzipiell nachtaktiv" seien, sei eine Begegnung "höchst unwahrscheinlich", sagte "Bärenanwalt" Walter Wagner. "Bärenanwälte" sind in Österreich offiziell bestellte Experten zur Beratung der Bevölkerung.
Sollte doch ein Wanderer das Tier sehen, sollte er am besten langsam den Rückzug antreten, riet Wagner. Wegzurennen oder direkt auf ihn zuzugehen sei dagegen nicht ratsam. Sich totzustellen sei in den meisten Fällen auch nicht besonders klug. "Wenn der Bär noch Meter weit entfernt ist, könnte ihn das eher neugierig machen." Bewegungslos liegen zu bleiben, sei deshalb nur bei einem tatsächlichen Angriff ratsam. "Normalerweise wird ein Bär aber immer die Flucht ergreifen."
Auch Camper in der Region müssten keine Angst vor einer Attacke haben. "Auf einem Campingplatz ist hier noch nie ein Bär gesehen worden." Wildes Übernachten im Wald sei sowieso nicht erlaubt. "In Slowenien, wo rund 450 Bären leben, kann man auch wandern und spazieren gehen, ohne sich etwas zu denken", versicherte Wagner.
Der Bär verhält sich nach Ansicht der Experten "eher ungewöhnlich", da er sich nach Zeugenberichten aus Österreich auf wenige Meter den Menschen näherte. Der WWF warnt davor, auf Bärensuche zu gehen.
Dennoch schließen die Bären-Kenner aus, dass er einen Menschen angreifen werde. "Das hat es seit der Wiederbesiedelung der Bären in Österreich im Jahr 1972 kein einziges Mal gegeben", sagte Wagner.
Weitere Besuche bei den Menschen wollen die Bären-Anwälte künftig vermeiden. Mit Knallkörpern und Gummigeschossen wollen sie den Bären abschrecken, damit er sich wieder an seine natürliche Menschenscheu erinnert und in der Abgeschiedenheit der Wälder auf Nahrungssuche geht. Allerdings wollen die Experten ihn weiter im Auge behalten. Dazu wollen sie ihm ein Halsband mit eingebautem Peilsender verpassen - wenn sie ihn schnappen. Mit einer Röhrenfalle legen sich die Bärenkenner derzeit auf die Lauer. Dauerhaft soll der Bär seinen Schmuck aber nicht tragen. Nach 48 Wochen sprengt sich das Halsband von selbst vom Hals. "Der Bär wächst noch, das würde sonst zu eng werden", hieß es