Hallo!
Vor 6 Jahren habe ich (unter meinem damaligen Namen STEFANIE SCHNEIDER)
einen Bericht für die Arachne geschrieben welcher in Heft 3 im Mai 2005
veröffentlicht wurde. (auf diesen Bericht bezog sich anschliessend in einem anderen Bericht FRANK SCHNEIDER mit welchem ich weder verwannt noch bekannt bin)
Da das Thema "Vogelspinnenkrebs" immernoch aktuell ist und evtl. nicht
jeder diesen Erfahrungsbericht "aufm Schirm" hat, schreibe ich ihn
nochmal für alle Forenmitglieder HIER:
KRANKHEITSVERLAUF UND HEILUNG BEI EINER AN "VOGELSPINNENKREBS" ERKRANKTEN BRACHYPELMA SMITHI
Meine ca. 2 Jahre alte B. smithi häutete sich am 18.04.2004 nach 16
Stunden erfolgreich. Vier Tage nach der Häutung entnahm ich das Tier aus
seinem Terrarium um es zu fotografieren und bemerkte dabei eine
unförmige Stelle am Opisthosoma. Der Hinterleib war nicht gleichmässig
rund geformt sondern zeigte zur rechten Seite hin eine deutliche
Auswölbung.
Von unten betrachtet sah ich eine ca. 2 Cent Stück grosse Blase, die
offensichtlich mit Flüssigkeit gefüllt war und eine brandblasenähnliche
Form aufwies.
Nach mehreren erfolglosen Telefonaten mit div. Fachleuten konnte ich
meinen Büchern entnehmen, dass es sich bei der Erkrankung meiner Spinne
vermutlich um den sog. "Vogelspinnenkrebs" handelt.
Der vorhandenen Literatur konnte ich keine Tipps oder Therapievorschläge
entnehmen (im Gegenteil einer der Ratschläge war das Tier "schmerzlos"
zu töten). Aufgrund meines Berufes als Tierarzthelferin beschloss ich,
bei meiner Spinne die gleiche Behandlung zu veranschlagen wie bei einem
Säugetier.
Ich begann die Behandlung mit einem Betupfen der betroffenen Stelle
unter Zuhilfenahme einer Jod-Alkohollösung. Auch nach zwei Tagen trat
keine Veränderung ein, deshalb punktierte ich die Blase mit einer
sterilen Kanüle, nachdem ich sie (die Blase) mit Jod-Alkohol desinfizirt
hatte, und entnahm ihr ca. 0,8 ml Flüssigkeit.
Die Flüssigkeit war von leicht sämiger Konsistenz, durchsichtig, leicht ins gelbliche gehend.
Zur Beobachtung setzte ich die Spinne in eine saubere Heimchendose auf
Küchenpapier und reinigte das Terrarium samt Einrichtung gründlich.
Am folgen Tag hatte es den Anschein als hätte sich die Blase erneut mit
Flüssigkeit gefüllt. Die Verfassung des Tieres hatte sich
augenscheinlich enorm verschlechtert, sie war apathisch, frass nicht und
hatte die Taster unter den Körper gezogen. Auch an den vier folgenden
Tagen betupfte ich die Blase 2x täglich mit der Jod-Alkohol Lösung. In
der Zwischenzeit hatte ich vom Blaseninhalt eine Pilzkultur angelegt.
Weiterhin bot sich mir die Möglichkeit einer sehr umfangreichen
bakteriologischen Untersuchung des Punktats, da eine Freundin an einer
grossen Universität in NRW arbeitet und Zugang zu den Laborräumen hat.
Aufnahmen der angefärbten Flüssigkeit unter dem Elektronenmikroskop
brachten kein Ergebnis.
Ca. eine Woche nach Beginn der Behandlung beschloss ich die Blase mit einem Skalpell zu öffnen.
Um dem Tier unnötige Schmerzen zu ersparen, legte ich das Tier in einer
Heimchendose für ca. 10Min. in den Kühlschrank. Den Eingriff begann ich
mit dem Sterilisiren der Blase mit der J.A. Lösung. Im weiteren Verlauf
der Operation öffenete ich die Blase mit Hilfe eines sterilen Skalpells.
Das Öffnen erfolgte durch einen kleinen Schnitt in der Mitte der Blase.
Anschliessend entfernte ich mit einer sterilen, spitzen Schere einen
elypsenförmigen kleinen Teil der Blasenoberfläche.
Aus der Wunde traten ca. 1,5 ml Flüssigkeit aus. Mit einem sterilen
Wattestäbchen entfernte ich aus der Wundtasche noch einige Partikel,
die eine körnige Konsistenz aufwiesen.
Nach Abschluss des vorgenommenen Eingriffs tupfte ich nochmals alles mit
Jod- Alkohol ab und verschloss die Wunde mit Nebacetin-Puder.
Fünf Tage lang zeigte sich keine Verbesserung des Gesundheitszustandes,
doch da die Wunde gut abheilte, unternahm ich keine weiteren Schritte
sondern beschloss abzuwarten. Am sechsten Tag entnahm ich die Spinne aus
dem Behälter und stellte erfreut fest, dass sie sich zum ersten Mal
energisch mit Hilfe von Brennhaaren und Beißversuchen zur Wehr setzte.
Nachdem das Tier in sein Terrarium zurückgekehrt war, erbeutete es zwei
Grillen. Mein Eingriff trug also offensichtlich positiv zum Überleben
der Spinne bei. Ich bin gerne bereit weiter Informationen über die
Behandlung zur Verfügung zu stellen und würde ausserdem jederzeit den
Eingriff bei anderen betroffenen Tieren wiederholen, ohne jedoch die
Verantwortung für den Ausgang des Eingriffes zu übernehmen. Ein Risiko
besteht bei jeder OP und deshalb können die Tiere möglicherweise an
Hämolympheverlust, Schock oder Infektionen sterben.
Später erhielt ich die Information, dass sowohl der Pilzbefund als auch
die bakteriologische Untersuchung negativ ausgefallen sind, d.h. es
befanden sich weder Pilze och Bakterien in dem eingereichten Punktat.
Eine Virenerkrankung konnte jedoch NICHT ausgeschlossen werden.
Die Spinne verhielt sich in den folgenden Wochen normal, frass 2x pro
Woche ein bis Grillen und häutete sich 9 Monate später ohne Probleme.
(man konnte eine "Narbe" an der Stelle sehen wo vorher die Blase war).
3 weiter Häutungen waren nötig um die "Stelle" völlig verschwinden zu
lassen, die Spinne selbst - früher ruhig und gelassen - war jetzt
allerdings eine Furie die bei kleinsten "Aktionen" z.B. Wassernapf
entnehmen etc. mit Brennhaaren "um sich warf" ob das ein Zufall ist oder
ein Hinweis auf ein Erinnerungsvermögen bei Vogelspinnen vermag ich
nicht zu beurteilen.
Ich bin der Meinung dass auch eine Spinne (solange wir es nicht besser
wissen...) nur ein Leben hat und wir sollten auch in solchen
Situationen alles versuchen es zu erhalten.
Grüsse!
Steffi