Hallo Pati,
prinzipiell ist es am besten für den Vogelspinnenhalter, wie auch den Wissenschaftler, wenn man einen Bestimmungsschlüssel für die gesamte Gattung hat. Leider ist das aber nur möglich, wenn man alle Arten einer Gattung untersucht hat und dann die Unterschiede zwischen den Arten kennt. Mit Hilfe dieser Unterschiede kann man dann den Bestimmungsschlüssel aufbauen.
Allerdings bringt es nichts, wenn ich mir nur die Terrarientiere ansehe, denn die hat ja jemand anhand von Erstbeschreibungen "bestimmt", so daß jeder jetzt weiß (oder zumindest glaubt zu wissen), wie eine B. albopilosum oder B. vagans aussieht.
Angenommen jemand bringt jetzt eine "neue" Brachypelma aus Mexiko mit, dann wäre es sicher nicht schwer diese von den "bunten" Arten, wie B. smithi, B. emilia etc. zu unterscheiden, aber angenommen, sie ist von der Grundfarbe schwarz/braun und hat rote lange Haare auf dem Hinterleib.
Nun kann man die in Frage kommenden Arten schonmal aufgrund der Beschreibungen begrenzen. Weiterhin angenommen, man hat zusätzlich noch ein Männchen vor sich, bei dem die sekundären Geschlechtsorgane (Bulben) aber nicht denen einer B. vagans entsprechen. Was mache ich denn jetzt ?? Sage ich einfach, das ist nicht B. vagans, also ist das eine neue Art ??
Sicher nicht, denn es gibt noch genug beschriebene Brachypelma-Arten, die möglicherweise auf unser hypothetisches Exemplar zutreffen können. Leider kenne ich aber nur die Bulbus-Form von B. vagans, also muß ich alle anderen in Frage kommenden Arten untersuchen. Da viele Tiere vor gut 100 Jahre beschrieben wurden, muß man den Typus, also das Tier, welches der Beschreiber vor 100 Jahren vor sich hatte, untersuchen.
Aus diesem Grunde MÜSSEN die Typen der Art (auch heute noch) in einem Museum hinterlegt sein, so daß man auch 150 Jahre später noch die dem Beschreiber vorliegenden Original-Tiere untersuchen kann. Hat man diese jetzt verglichen, kann man sich ziemlich sicher sein, ob die Tiere gleich oder verschieden sind.
Wenn man sich schon die Mühe macht, alle diese Typen zu untersuchen, sollte man diese Arbeit nachfolgenden Kollegen ersparen oder zumindest deutlich erleichtern, indem man eine Revision der Gattung publiziert. Dies bedeutet ich untersuche alle in dieser Gattung beschriebene Arten, beschreibe diese noch einmal und zeichne oder fotografiere die für die Bestimmung wichtigen Merkmale. Mit diesen Merkmalen läßt sich dann der Bestimmungsschlüssel erstellen, wenn dieser gut ausgearbeitet und illustriert ist, braucht man zukünftig nur noch den Schlüssel zur Bestimmung der Tiere.
Um es nochmal kurz zu fassen, es gibt keinen (bekannten) eindeutigen Unterschied zwischen B. vagans und B. sabulosum. Lediglich die Verbreitung der Tiere unterscheidet sich etwas:
B. sabulosum: nur aus GUATEMALA bekannt
B. vagans: MEXICO: Yucatan Halbinsel; BELIZE: fast im ganzen Land verbreitet
Dummerweise grenzt Guatemala an Belize und Mexiko, so daß es also auch Übergänge zwischen den Arten geben kann. Um wirklich sicher zu sein, was man vor sich hat, müßte man die Typen von B. sabulosum und B. vagans untersuchen.
Ein weiteres Problem ist, daß B. epicuraneum den beiden o.g. Arten ebenfalls sehr ähnelt. Diese Art wurde auch von der Yucatan Halbinsel beschrieben, soll aber wohl nur dort in einem recht kleinen Gebiet vorkommen. Laut Smith, 1994 lassen sich B. vagans und B. epicuraneum anhand der Form des Bulbus, der Anzahl der Dorne auf der Tibia von Bein I und die Länge der Scopula auf dem Metatarsus von Bein IV unterscheiden.
Viele Grüße,
Boris