Grundsätzliches über Acanthogonatus
Ich melde mich zum ersten Mal bei Euch im Forum. Das ist etwas, was ich eigentlich sonst gerne machen würde, wenn ich die nötige Zeit dazu hätte. Ich bin momentan der einzige permanente Importeur chilenischer Spinnen, Skorpione und Weberknechte in Deutschland und kenne relativ gut sowohl die Vorkommensgebiete der Tiere als auch Eure Fragen. Deswegen schicke ich euch, leicht verändert, meine Antwort auf eine ähnliche Frage in einer anderen Seite. Zu Acanthogonatus francki also:
Systematisch gehört die Gattung Acanthogonatus zu den Nemesiidae. Sie ist also keine Vogelspinne. Nach Platnik gibt es 8 oder 9 verschiedene gültige Taxa, von denen die Mehrheit aus Chile kommt. Nach Deutschland kamen in relevanter Anzahl bisher 3 Arten: A. subcalpeianus, vor vielen Jahren (siehe das Buch von G. Schmidt). Vor etwa 10 Jahren kamen einige A. spixii nach Deutschland. Vor 2,5 Jahren habe ich dann zum ersten Mal A. francki gebracht. Die Art wurde sicher durch chilenische Arachnologen aus der Universidad von Concepción sowie von verschiedenen Kennern der chilenischen Arachnofauna bestimmt.
Bei einem Import von Anfang November 2004 haben etwa 80 % der Tiere innerhalb von 3 Wochen Kokons gebaut. Da ich darauf unvorbereitet war und kurz danach eine lange Chile-Reise geplant hatte, bat und verkaufte ich Weibchen mit Kokons an mir bekannte und zuverlässige Züchter. Ich behielt selbst einige Weibchen. Nach der Rückkehr aus Chile informierte ich mich über das Schicksal der Kokons. Nur der eine oder andere Züchter (z.B. Nils Belker) hatte meinen Ratschlag befolgt, Chile-Tiere eher kühl zu halten und einen Erfolg verbucht. Die Mehrheit nahm an, dass zwischen Chile und Brasilien klimatisch kein großer Unterschied besteht und die Spinnen bei gewohnten 23 bis 28 Grad gehalten. Resultat: die Spinnen haben ihre Kokons zum größten Teil verzehrt. Meine 20 Kokons blieben in einer eher kalten und dunklen Ecke meines Tierraumes, bei etwa 18 Grad 2 monatelang. Überraschenderweise hatte ich keinen einzigen Kokon verloren. Die meisten Kokons erbrachten zwischen 45 und 55 lebende und 5 - 6 tote Spiderlinge. Ein Kokon brachte es auf 95 lebendes und kein totes Tierchen. Ich vereinzelte alle Tiere, die ein 5 x 5 cm großes Gefäß halbvoll mit Kokushumus erhielten. Dazu erhielt jedes Gefäß einen Teelöffel aus einer gut laufenden Springschwänzchen-Kultur. Die Aufzucht ist unproblematisch und die Tiere schnellwüchsig,
Ein Jahr später, also in November 2005 kamen wieder einige A. francki. Diesmal bauten aber nur 5 von 200 Weibchen einen Kokon. Ich entschied mich dafür, die Kokons und auch die Spiderlinge bei der entsprechenden Mutter zu belassen. Bereits zum Frühling 2006 sind die Spiderlinge des zweiten Jahres größer als ihre Schwester und Brüder des Vorjahres gewesen, wenn sich auch die Anzahl der übrigen Tiere vielleicht um die Hälfte verringert hat.
Zusammenfassend kann ich folgendes zur Acanthogonatus francki in der Natur sagen:
Sie lebt tagaktiv in schattigen, also eher kühlen Mulden im mittelchilenischen Unterwald (sowohl Naturwald als auch angebauter Kiefernwald). A. francki baut ein großes, meist röhrenartiges Netz über die Mulde und ist eine gute, schnelle Jägerin. Unter den Netzen baut sie flache, tunnelartige Röhren. Nach Meinung von meinen chilenischem Freund und Betreiber des "Vogelspinnen-Tarantulario" (
www.tarantulario.cl) Cristian Perez Apablaza leben Acanthogonatus in einer Art Kolonien, wobei viele große alte Mulden- bzw. Tunnelsysteme unterirdisch miteinander verbunden wären. Ein Nachweis dessen soll in der nächsten Zeit versucht werden (unterirdisches System wird ohne Spinnen mit flüssigem Gips ausgegossen. Nach dem Erhärten des Gips wird die Erde "um" das Höhlensystem vorsichtig herausgeputzt.).
Zur Terrarienhaltung kann ich folgendes empfehlen:
- ein eher höheres als flaches Terrarium, einige Äste vereinfachen die "Netzbauerei" in die gewünschte Richtung.
- Temperatur nimmer über 25 Grad. Möglichst kühle Nacht. (In der Natur haben sie jedes Jahr einige Monate mit frühmorgendlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt zu überstehen. Im Sommer herrschen am Tage Temperaturen bis zu 35 Grad am Tage (jedoch nie im schattigen Unterwald), während für die Nacht eine Senkung auf Temperaturen auf 14 und 18 Grad gewöhnlich ist. Da sie keine tiefe Höhlen, sondern Mulden bewohnen, sind Acanthogonatus den tiefen Temperaturen immer ausgesetzt.
- Acanthogonatus sind außergewöhnlich gute Fresser.
- Mutter mit Kindern behalten. Es ist schön anzusehen … und produktiver.
Übrigens, ich habe noch nie eine Acanthogonatus mit Parasiten gesehen. Das ist eher eine Frage für Tiere, die aus feuchten, tropischen Gegenden kommen. Tiere, die aus Wüsten bzw Halbwüsten kommen, leiden weniger darunter.
Wünschenswert wäre zu erfahren, ob man auch mehrere Tiere zusammenhalten kann, oder besser ausgedrückt, wie groß das Terrarium sein muss, damit mindestens zwei Tiere zusammenleben (oder zusammen aufwachsen) können. Obwohl Acanthogonatus-Arten (Ich verfüge über einige Tiere anderer Acanthogonatus-Arten) nicht aggressiv und bissig sind, konnte ich bisher absolut keine Information über deren Giftigkeit finden. In der mittlerweile über 50-jährigen, gut gepflegten chilenischen Landes-Statistik über Unfälle mit Gifttieren sind jedenfalls keine Vorfälle im Zusammenhang mit diesen Tieren dokumentiert.
Ich stehe Euch sonst gerne mit meinen wenigen, doch speziellen Kenntnissen, für Fragen dieser oder anderen chilenischen Spinnen, Skorpionen und Webeknechte (Opilionen).
Viele Grüße